Akt III - Das Zusammenleben
Sie so
Der Probestatus war eingeleitet. Wir wollten es langsam angehen - taten wir auch. Er war
ja erstmal 2 Wochen im Urlaub mit seinem Parrick. Ein wundervoller Beziehungsstart. Jeden
Abend rief er mich vom Strand aus an und spielte mir etwas auf der Gitarre vor, bis ich eingeschlafen war. Doch gleich danach, zog er unabgesprochen Tag für Tag immer ein Stückchen mehr in meine
Wohnung ein. Etwa nach einem ¾ Jahr fragte ich ihn dann mal: „Bist Du eigentlich schon eingezogen?“ – „Ja, irgendwie schon.“ – „Na gut.“ meinte ich, „Schön, dass wir drüber geredet haben!“ und so war
unser Zusammenleben auch mal ausgesprochen worden. Er verbrachte die Spätnachmittage mit meiner Mam bei einem Schluck Kaffee und sie philosophierten tiefgreifend oder schauten sich Law&Order an,
bis ich nach Hause kam. Im Nachhinein, wenn ich an das erste Jahr zurückdenke, sehe ich - im Zeitraffer -, wie er sich in die Herzen meiner Mam und mir gearbeitet hatte. Er war für sie da, für ihren
Hund Shaddy, für meinen Kater Monti und natürlich für mich. Ich wollte es nicht sehen, was er für ein Segen für mich war, denn ich wollte schon nach 3 Monaten wieder Schluss machen. Nicht so richtig,
und doch irgendwie schon. Aber ich sagte nichts. Und dass ich nichts gesagt hatte, war mein Glück. Er blieb. Und so schnulzig es klingt: rettete mich.
Innerhalb von zwei Jahren, hatte ich mich in meinem Job so aufgerieben, dass ich nur noch als Roboter den Tag überleben konnte. Jeden Tag 9-10 Stunden im Büro plus Wochenend- und Feiertagsarbeiten. Ich ging nicht mehr weg, sah meine Freunde nicht mehr und kam nur raus, wenn ich mit Shaddy mal spazieren ging. Ich fühlte mich ausgelaugt und total emotionsbefreit. Nun war alles anders. Ich kam heim, Mam und Benny warteten auf mich mit einem Lächeln, meistens hatte Benny gekocht und ich fing an zuhause abzuschalten. Er wurde zum Ruhepol, zu meiner Batterie. Natürlich ist kein Mensch perfekt und auch er hatte seine „Diva“-Tage, wie Mam es ausdrückte. Aber das war auch gut so. Er kam in diese Symbiose von Mutter und Tochter, die ihren Tagesablauf wie aus dem „FF“ abspielten, wo eigentlich kein Platz war für eine weitere Person. So herzlich er bei uns willkommen war, musste er sich seinen Platz erkämpfen und da darf man dann auch mal „Diva“ sein.
Eines Nachts, so knapp ein Jahr später lag ich wach neben ihm im Bett. Es war ein schönes Gefühl, dass er da war. Ein verdammt gutes Gefühl. Am nächsten Morgen ging ich zu meiner Mam, es war nichts Weltbewegendes passiert. Ich träumte vor mich hin und plötzlich sah sie mich an und meinte: „Mäuschen – Du liebst ihn ja!“
Ab diesem Tag, verging kein Tag an dem ich ihm nicht sagte, wie wichtig er für mich ist und wie unglaublich er mein Herz erobert hatte. Während diese tiefe Liebe bei mir anfing zu wachsen, mussten wir viel überstehen. Meine Mam wurde krank. Krebs diagnostizierten die Ärzte. Es war so unfassbar für mich. Benny blieb im Hintergrund - der Fels in der Brandung. Stets zur Stelle, wenn wir ihn brauchten. Fahrten in die Klinik, Shaddy spazieren führen, Nadeln aus Mam’s Arm entfernen, die Ärzte dort vergessen hatten, uns versorgen, einkaufen gehen…
Aber am wichtigsten: meiner Mam und mir Kraft geben. Ein Lachen in unsere Gesichter zaubern. Ohne ihn hätte ich diese Zeit nicht überstanden. Zumindest nicht seelisch so gesund. Meine geliebte Mam verließ uns am 08.02.2011 – und Benny war dabei.
Nebenbei machte er seinen Meister und ich hatte immernoch diesen auslaugenden Job. Keine erhebende Basis für eine Beziehung. Obendrauf musste ich täglich zusehen wie Shaddy litt und so litten wir mit ihm. So schwer es mir viel, dass ich meine Mam verloren hatte und jetzt auch noch ihren Shaddy hergeben musste (um seinetwillen), so schön ist es zu sehen, wie er heute lebt. Mit Weggefährtin, zwei Katzen statt einem großen Kater, viel Auslauf und Bewegung und den besten Hundeeltern der Welt. Und Benny war mal wieder der ausschlaggebende Punkt. Er drängte mich nicht, sondern ermahnte mich eher zu warten - bei einer solch wichtigen Entscheidung auf mein Bauchgefühl zu hören, welche neuen Herrchen die Richtigen sind. All das stärkte unsere Beziehung ungemein. Wir konnten uns auf uns verlassen.
Ich behielt Mam’s Wohnung noch ein halbes Jahr. Dann hatten wir zwei Wohnungen und zwei Keller zu räumen. Der Deal mit meiner Baugenossenschaft war, dass wir beide Wohnungen gleichzeitig frei machen und dafür uns die Wohnung, in die wir zurückziehen wollen, aussuchen können. Wir entschieden uns für Mams alte Wohnung. Die Zwischenzeit überbrückten wir in Bennys Kinderzimmer bei seiner Mutter und lebten mit Monti mehrere Monate dort. Das beste Asyl, das man sich vorstellen kann. Sonntags wurde gemeinsam gekocht – meist auch mit allen Geschwistern und deren Partnern, selbst Monti wurde adoptiert. Umso schöner für mich, da ich nach dem Verlust meiner Mam, in Bennys Familie Kraft schöpfte. Vielen Dank Ihr Spechts!
Nach vielen Monaten des Möbelshoppens, stand der Rückumzug an. Ich war am Tiefpunkt meiner Erschöpfung durch die Arbeit angelangt. Kurz vor Weihnachten sollte es losgehen und ich wurde krank. Benny schmiss den kompletten Umzug mit Freunden, Geschwistern und Schwagern allein. Wie immer - mein Held.
Die ersten 3 Jahre waren vergangen - wie im Flug. Und wir hatten noch nie Urlaub gemacht, nicht auf „Balkonien“ und erst recht waren wir noch nie weggefahren, zumindest nicht, was man Urlaub bezeichnen hätte können. Also planten wir nach all dem Stress des Meisters, meiner Arbeit, seines neuen Jobs und des Umzugs, dass es Zeit wäre zu entspannen. Wo sollten wir nur hin?
„Ich fliege nirgendwo hin, wo ich mit Kakerlaken schlafen muss! Dafür geb ich doch kein
Geld aus!“ grummelte er. Während ich in meinen Backpackerfantasien schon mal das Zelt im Dschungel aufgebaut hatte. Die Möbel für die Wohnung auszusuchen war einfach – wir haben nämlich einen
ziemlich ähnlichen Geschmack. Aber dass wir beim Reisen so auf Gegenpole stoßen würden, überraschte mich. Ich muss ihm zugestehen, dass er sich echt bemühte und zumindest so tat als hätte er ein
offenes Ohr und offenes Herz, für all meine Reiseträume. Von Sizilien, über Kroatien, nach Barbados und die DomRep… Nichts zu finden, was uns beiden Spaß gemacht hätte.
Am Ende gab er nach und wir flogen nach Sri Lanka. Zwei Wochen er und ich allein, ohne Aufgaben – das war wohl das Allerschwierigste. Wir waren es gewohnt stets ein ToDo zu haben – im Job, wie
privat. Und nun? Nichts tun, war angesagt. So dachte man, doch das Herumreisen war anstrengend. Am Ende verließ mich meine Euphorie darüber, mit einem 18Kilo Rucksack Tag ein Tag aus durch die Gegend
zu spazieren und in wildgewordenen Taxis mit gefühlten 160km/h durch die kleinen Dörfer zu preschen, fast in Elefanten zu fahren, Hunde anzufahren und selbst angefahren zu werden. Je weniger ich
machen wollte, umso mehr entwickelte Benny seine Freude in diesem Urlaub. Zwei Wochen des vielmals „ersten Mals“. Das erste Mal weiter weg, als Kroatien, Italien oder Mallorca. Das erste Mal ein
Langstreckenflug mit Umsteigen. Das erste Mal ein Urlaub mit Rucksack. Das erste Mal einen Roman lesen, weil man sonst nichts zu tun hat. Das erste Mal mit Halbenglisch sowie mit Händen und Füßen
kommunizieren. Das erste Mal einen Leopard in echt gesehen. Das erste Mal in Mini-Bungalows geschlafen, in denen einem plötzlich des nachts Eichhörnchen auf die Füße fallen – auch wenns am Ende (so
denke ich) eine Ratte war. Am Ende der Reise störten ihn nicht mal mehr die Kakerlaken auf der Straße. Wir hatten uns ein neues Mal angenähert. Selbst Urlaubmachen würden wir in unserer
Beziehung
hinbekommen.
So wie wir alles hinbekommen – zusammen!